AUSTRIA GEGEN AUSTRIA, MEHR TRADITION GEHT NICHT!
22.11.2025 / 14:30 Uhr
Planet Pure Stadion
Admiral 2. Liga
Zuschauer: 4061 (etwa 550 Gäste)
Auslastung: 88,44 Prozent
Austria gegen Austria, die beiden größten Fanszenen der österreichischen zweiten
Liga, treffen aufeinander. 2016 hatten wir Lustenau am Rhein, direkt an
der Schweizer Grenze schon einmal besucht. Seitdem wurden jedoch
umfangreiche Umbaumaßnahmen am Stadion vorgenommen, sodass auch ein
erneuter Spielbesuch lohnt. Während Lustenau in Richtung erste Liga
strebt, steht die Salzburger Austria im unteren Tabellenmittelfeld als
Aufsteiger gut da. Ein erster Blick auf das Stadion zeigt, wie viel sich
hier verändert hat: besonders markant sind die neuen Flutlichtmasten.
Hier stehen hohe Betonsäulen, die etwas an die Säulen vor dem Berliner
Olympiastadion erinnern und durchaus einen gewissen Charme haben.
Kurzum: Ein sehr interessanter Neubau.
Der Eintrittspreis in
Lustenau ist happig, hier werden schon knapp 20 Euro für den Steher
aufgerufen. Ich erinnere mich noch gut an Kampagnen „Kein Zwanni für nen
Steher“ in der Bundesliga, diese Zeiten scheinen lange her zu sein, als
so etwas noch ein Aufreger war. Völlig selbstverständlich ist für viele
Fans heute auch, mit der Karte zu zahlen. Der Eintritt kann
ausschließlich mit Karte gelöhnt werden, bei den Verpflegungsständen
gibt es nur an wenigen Stationen die Möglichkeit, mit vorher extra
erworbenen Bons alternativ zu zahlen. Insgesamt gleicht das
Stadion-Vorfeld einem Volksfestplatz, hier gibt es unzählige Stände, wo
man diverse alkoholische und nicht-alkoholische Getränke und
verschiedene Speisen, egal ob Pizza, Bratwurst oder Schupfnudeln
erwerben kann. Man kann das als eine begrüßenswerte Vielfalt ansehen,
man kann aber auch der Ansicht sein, dass Fußball früher, als es nur
Bratwurst und Bier gab, auch schön war.
Motiviert und gut besucht
sind heute auf jeden Fall beide Seiten. Austria Lustenau ist
bekanntlich mit der Fanszene des FC Augsburg befreundet. Die spielen
jedoch leider selbst und sind daher nicht vertreten. Zahlreiche
Aufkleber in den Sanitäranlagen bezeugen jedoch die Intensität der
Freundschaft. Auf Seiten der Salzburger ist eine ganze Busladung von
Gästen aus Saarbrücken da. Die „Rucksackfranzosen“ spielen am nächsten
Tag bei 1860 München und nutzen die Gelegenheit für einen
Freundschaftsbesuch. Es ist also angerichtet und damit heißt es rauf auf
die Tribüne.
Die Vorarlberger sind ein ganzer eigener Stamm.
Recht neckisch ist bereits die Vereinshymne, in der schon die Rede davon
ist, dass Vorarlberg „nur ein Zwerg“ sei, für den ungeübten Hörer ein
Rätsel ist dann ein Rap-Song vor Spielbeginn im lokalen Dialekt. Lange
brauche ich, um zu verstehen, dass ich grade keine Werbung für gutes
Curry höre, sondern das Lied „Ghörig“
des lokalen Hip-Hop-Duos „Penetrante Sorte“. Da ich auf der
Haupttribüne sitze, kann ich natürlich auch die Heimfans besser
verstehen, als die Salzburger Gäste und so fällt mir auch auf, dass in
den Gesängen der Vereinsname natürlich auch nicht hochdeutsch, sondern „Auschtria Luschtenau“ ausgesprochen wird.
Beide
Szenen legen einen guten Auftritt hin, was ich den Salzburgern auch aus
der Ferne attestieren würde. Bei Lustenau gibt es zu Spielbeginn eine
große Choreo, mit der Aufschrift „Lustenau“ auf einem Banner über die
ganze Tribüne, dabei ist das Vereinslogo in der Mitte platziert. Bei den
Gästen ist stets viel Bewegung zu beobachten. Mit Spruchbändern werden
Grüße an die Freunde aus Barletta ausgerichtet, außerdem gegen die neuen
Pläne in der Bundesrepublik protestiert. Immer wieder werden zudem
einzelne Bengalos entflammt. Apropos Bengalos: Der fantechnische Höhepunkt gehört den Randschweizern, die in der 76. Spielminute eine große Pyroshow starten. Erst vernimmt man das liebliche Knacken, dann gehen unzählige Bengalos
und Rauchtöpfe an, sodass das komplette Spielfeld eingenebelt wird. Was
in vielen bundesdeutschen Stadien noch immer für Schnappatmung beim
Durchschnitts-Horst auf der Tribüne und scharfe Rügen durch den
Stadionsprecher sorgt, wird hier mit Schmunzeln und maximal einem
Kopfschütteln quittiert. Ja, hier haben die Menschen verstanden, dass
das Stadion sicher ist. Bemerkenswert ist auch, dass die Tribüne mit
Holzstufen versehen ist und beinahe „englisch“ nahe am Spielfeld ist.
Obwohl es kein Fangnetz gibt und sich definitiv Gelegenheiten bieten,
fliegen hier keine Becher aufs Spielfeld. Schilder vor den
Tribüneneingängen deuten darauf hin, dass es hier offenbar auch ein
Gentleman's Agreement zwischen dem Verein und der Fanszene rund um die „Nordfront“ und „Union“ gibt.
Auf dem Rasen gibt es trotz oder grade wegen zapfiger
Temperaturen ein munteres Spielchen, mit Chancen auf beiden Seiten,
wobei ich den Gästen etwas bessere Gelegenheiten zusprechen würde,
besonders in der ersten Hälfte. Wo mit Torhüter Simon Nesler-Täubl und Luca Meisl
zwei Ex-Lustenauer im Aufgebot der Salzburger stehen, durch gute
Leistungen im Viola Dress haben Sie ihren Marktwert kräftig nach oben
geschraubt. Am Ende bleibt es jedoch trotz 8 Minuten Nachspielzeit bei
einem 0:0.
Fazit: Die mit 24600 Einwohnern größte Markgemeinde
Österreichs ist durchaus einen Besuch wert, weil hier moderne Elemente
mit klassischer Fußballkultur auf angenehme Weise verknüpft werden, dazu
die Lage des Stadions direkt am Rhein.
Bericht: Mittel - Michi